Der heilige Martin bleibt aktuell - Teilen als Überlebenshilfe


von Ronny Schneider


Mit leuchtenden Augen, die Laterne in der Hand folgen Kinder und ihre Eltern singend dem
heiligen Martin auf dem Pferd - mehr als 1600 Jahre nach dem Tod des Heiligen. Der heilige
Martin verbindet heute über die Konfessionen ja auch über die Religionen hinweg. Gutes tun und andern helfen zeichnet alle Menschen guten Willens aus.
Mit dem heiligen Martin sind zahlreiche Legenden und Bräuche verknüpft. Martinikirmes,
Martinimarkt, Martinsfeuer, Martinsgans, Martinslieder, Martinsumzug, Mantelteilung, Stuten- kerl, Weckmann - was finden wir nicht alles rund ums Martinsfest?!


Martinikirmes
Die Martinikirmes im November ist Dinslakens größte Kirmes und wird seit Jahrhunderten gefeiert. Am Martini-Samstag reitet Sankt Martin auf dem Schimmel durch die Dinslakener Innenstadt, gefolgt von mehreren hundert Kindern und Eltern mit Laternen. Mehrere Spiel- mannszüge stimmen immer wieder Martins- und Laternenlieder an. Singend erreicht der große Martinszug das Burgtheater. Spielerisch erleben die Kinder bei der Mantelteilung, dass Teilen Überlebenshilfe sein kann und mindestens zwei Menschen glücklich macht.


Martinskirche
Sankt Martin ist für viele zum Leitbild christlichen Handelns geworden. So erhielt in Dins- laken die evangelisch (!) -lutherische Gemeinde vom Magistrat der Stadt 1611 die Gasthaus- oder Martinskirche. Sie stand am Beginn der Duisburger Straße, dort wo heute die Stadt- bibliothek steht. Als die später baufällig gewordene Kirche 1818 abgebrochen werden muss, blieb bis heute einzig die hölzerne Martinsfigur mit dem Bettler erhalten. 2009 wurde sie fachmännisch restauriert.


Nur wenige kennen mehr aus der Lebensgeschichte dieses Bischofs Martin als die Episode, in der Martin seinen Mantel teilt.
In einem theologischen Lexikon wird Martin von Tours zusammenfassend als "Bischof von Tours, Asket und Wundertäter, Gründer der ältesten Klöster des Abendlandes" dargestellt. Auch heute noch wird er als "vorbildlich für das ganze abendländische Mönchtum" ange- sehen.


Vom Soldaten zum Bischof von Tours
Geboren wurde der heilige Martin um das Jahr 316 in Pannonien, in einer Stadt, die heute zu
Ungarn gehört. Er war der Sohn eines Offiziers und trat bereits mit 15 Jahren in die römische
Armee ein. Mit achtzehn ließ er sich taufen. Die Szene, in der er seinen Mantel teilt, er- eignete sich noch vor seiner Taufe in Amiens.Martins freund und Biograf, Sulpicius Severus, schilderte das berühmte Ereignis. Danach begegnete Martin vor dem Stadttor einem unbe- kleideten Mann, der die Vorübergehenden vergeblich um Unterstützung bat. Martin glaubte, dass Gott ihm den Auftrag zur Hilfe gegeben habe, und "fasste deshalb sein Schwert, mit dem er umgürtet war, teilte den Mantel entzwei und gab die eine Hälfte dem armen, mit der anderen umkleidete er sich. Unterdes machten sich einige der Umherstehenden über ihn lustig, da ihn diese abgerissene Uniform sehr entstellte."

 
In der Nacht darauf soll ihm Christus erschienen sein, der den haben Mantel trug und zu den Engeln sagte: "Martinus, der noch nicht getauft ist, hat mich mit diesem Mantel bekleidet." Diese Traumbegegnung bewegte den Gardisten des Kaisers sehr. Das einschränkende Wort des Herrn wollte er so nicht länger auf sich sitzen lassen. Wenige Tage danach ließ er sich taufen.
Insgesamt diente Martin 25 Jahre in der römischen Armee, ehe er sie im Jahr 356 bei Worms verließ, um Schüler des Kirchenlehrers Hilarius von Poiters zu werden.
361 gründete er das erste Kloster in Gallien. Seine Volkstümlichkeit bewirkte, dass er zehn Jahre später trotz einiger Widerstände aus dem hohen Klerus Bischof von Tours wurde. Der legende nach wehrte er sich in seiner Bescheidenheit zunächst gegen die Berufung in dieses Amt. Um der Aufgabe zu entfliehen, versteckte sich der Gewählte in einem Gänse- stall. Keiner wußte wohin er geflohen war. Doch die Gänse, bei denen er sich verborgen hielt, verrieten ihn durch ihr Geschnatter. Und so fanden ihn seine Anhänger, die ihn in die Stadt zurück geleiteten. Die "Martinsgänse" erfreuten sich von da an bis heute zunehmender Be- liebtheit, büssten jedoch für ihre laute Mitteilsamkeit Jahr für Jahr mit dem traditionellen Martinsgans-Essen.


Bereits Bischof, gründete Martin von Tours 375 das Kloster Marmoutiers, in dem er in einer
schlichten Mönchszelle wohnte. Bekannt wurde Martin auch durch seine Missionsreisen in
heidnische Gebiete, bei denen er als Exorzist und Wunderheiler aufgetreten sein soll. Er be- suchte die Senonen und die Äduer und zerstörte zahlreiche heidnische Kultstätten. Am Kaiserhof in Trier handelte er sich Ärger ein, weil er sich für den als Ketzer verdächtigen Bischof Priscillianos und dessen Anhänger einsetzte.


Martin starb 397 auf einer Reise und wurde in Tours von einer großen Volksmenge, darunter viele Nonnen und Mönche zur letzten Ruhestätte geleitet. Martin wurde als einer der ersten Heiligen, die keine Märtyrer waren, mit einem offiziellen kirchlichen Kult gefeiert. Die Kirche über seinem Grab wurde sogar fränkisches Nationalheiligtum. Auch an anderen Orten be- kamen Kirchen, Klöster, Burgen und Städte Namen, die an den Heiligen erinnerten. So gab es auch in Dinslaken bis 1818 die Martinskirche.


Dass der Martinstag auch heute noch so gut in Erinnerung ist, liegt daran, dass an ihm das alte Wirtschaftsjahr zu Ende ging. Pacht und Zehnt ( unter anderem auch in der Form der zu dieser Jahreszeit besonders fetten Gänse) wurden fällig, und es musste entschieden wer- den, wer aus dem Gesinde weiter beschäftigt wird - für Herren und Knechte ein bedeutungs- voller Tag.


Das alljährliche ökumenische Martinssingen in der evangelischen Stadtkirche knüpft an alte
Martinsbräuche an. Laternenlieder mit denen die Kinder den Reiter auf dem weißen Pferd begleiten, sollen böse Einflüsse von den Feiernden fernhalten.
Ein Motiv zieht sich durch alle Martinssingen. Sankt Martin als einer, der Bedürftigen und Armen hilft und so nach dem Matthäus-Evangelium zum Vorbild wird.


"GESCHRIEBEN STEHT, SEID ALLEN GUT.
DOCH WAS IHR DEM GERINGSTEN TUT,
DAS HABT IHR MIR, DEM HERRN, GESCHENKT

WOHL DEM, DER WIE SANKT MARTIN DENKT."

                      RP - Artikel vom 07.11.1998

                       NRZ - Artikel vom 07.11.1998

                      NRZ - Artikel vom 09.11.1998

                     NRZ - Artikel vom 09.11.1998