Aus Stadthistorie wird Kunst

An das alte Dinslaken und seine Pumpennachbarschaften erinnern der Brunnen am Altmarkt und die Figurengruppe des ehemaligen Brunnens in der Stadtbibliothek. Die Ursprünge reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück.

von Bettina Schack

Die Mädchen vom Pumpennachbarschaftsbrunnen sind an Markttagen auch heute noch mittendrin

Foto: Heiko Kempken

Dinslaken. Der Brunnen auf dem Altmarkt sieht aus wie eine alte Wasserpumpe. So eine steht doch etwas weiter an der Ecke zum Museum! Tatsächlich hat Dinslaken einen Brunnen, der an die Dinslakener Brunnen erinnert. An die Grundwasserpumpen in der Altstadt genau genommen. Und es geht bei diesem Erinnern auch weniger um das Wasser, das mit den Pumpen aus der Tiefe geschöpft wurde als um den sozialen Kitt, der Nachbarn in Dinslaken – wie auch andernorts am Niederrhein – zu Pumpennachbarschaften verband.

 

Zwölf Nachbarschaften waren es einst in der Stadt, ihr Ursprung reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Und heute: Die Wöllepump selbst ist die erwähnte Anlage am Elmar-Sierp-Platz.

 

Zurück zum Brunnen am Altmarkt. Der ist dank der figürlichen Darstellungen ein echter Hingucker. Geschaffen wurde er 1985 vom Münsteraner Künstler Bernhard Kleinhans (1926 - 2004). Das sechseckige Brunnenbecken wird aus der Nachbildung einer typischen Pumpe gespeist. Ein Mädchen betätigt den langen Hebel, der den hydraulischen Mechanismus in Gang setzt. Ist es die legendäre Pumpenmarie? Eher nicht. Der kurze Rock entspricht keineswegs historischen Vorbildern. Und das Mädchen ist auch nicht allein. Ein zweites sitzt ihr gegenüber am Brunnenrand. Es sind in Bronze gegossene Einladungen, es ihnen an einem schönen Sommertag auf dem Altmarkt gleichzutun und ebenfalls am Brunnenrand Platz zu nehmen.

 

Denn darum ging es bei den Pumpennachbarschaften: Gemeinschaft, Miteinander, sozialer Zusammenhalt. Man hielt nicht nur die Pumpe, die das lebensnotwendige Wasser spendete, in Schuss. Eine Pumpennachbarschaft stand solidarisch zusammen, von der Geburt bis zum Trauerfall. Und wenn es wortwörtlich mal irgendwo brannte, wurde von allen gemeinsam gelöscht. Daran erinnern die Bronzetafeln am Brunnenrand. Brennende Häuser, eine Hochzeit und eine Beerdigung weisen auf die Funktionen der Nachbarschaften hin. Zudem erkennt man das Walsumer und das Eppinghovener Tor, das Rittertor, die Wölle Pump, einen die Türkei symbolisierenden Hut, und die Klosterkirche, die der heutigen Klosterstraße den Namen gab und 1813 zur Synagoge umgebaut wurde, einen Holzstapel für den Holzmarkt und einen Schweinehirt mit seinem Vieh für den Schweinemarkt. Sie alle stehen für die nach ihnen benannten Pumpennachbarschaften. Brennende Häuser, eine Hochzeit und eine Beerdigung weisen auf die Funktionen der Nachbarschaften hin.

 

Der Holzmarkt überlebte nur in der Nachbarschaft, der Schweinemarkt wurde um 1900 Teil des größten Viehmarkts in der ganzen Region. Auch daran erinnert ein Kunstwerk. Dies allerdings nicht am Neutor, wo die Tiere damals gehandelt wurden, sondern auf dem mit dem Archivbau neugestalteten Elmar-Sierp-Platz in der Altstadt. Hier scheinen ein Esel, Kalb und Lämmer nebeneinander aus einem Brunnen zu trinken.

 

Doch die gepflasterte Senke füllt sich höchstens einmal bei Regen mit etwas Nass. Die Bronze von Ralf Fütterer ist nur zum Anschauen.

 

Quelle: RP 28.04.2021