Ökumene ? Nie davon gehört! - Happening zum Glockenstreit
von Ronny Schneider
Als ob Don Camillo persönlich zu Besuch sei, so zeigte sich Pfarrer Bernhard Kösters in Soutane und Barett vor der Sakristei der St. Vincentius Kirche. Christen beider Konfessionen versammelten
sich dort zu einem Stegreifspiel.
Kösters spielte einen seiner Vorgänger, Pfarrer Karl Theodor Schönborn, der vor einhundert
Jahren an gleicher Stelle temperamentvoll das gewaltsame Läuten der Glocken von St. Vincentius verhindern wollte. Zur Einführung des neuen Pfarrers der Stadtkirche Friedrich Otto zur Linden
wollten die evangelischen Nachbarn, dass die Glocken von St. Vincentius eine Stunde läuten.
"Ökumene? - nie davon gehört!" rief Bernhard Kösters in Interpretation seines Vorgängers aus und verteidigte gemeinsam mit seinem Küster Hagedorn die Glocken.
Den Beiden gegenüber auf der anderen Seite der Küster der Stadtkirche Hermanns, Bürger- meister Tilman Berns, in Personalunion gleichzeitig Vorsitzender des Presbyteriums der reformierten
Gemeinde, verschiedene Ratsmitglieder sowie die zum Schutz beorderten Gendarmen, der Schmied mit der Brechstange und die ihn begleitenden Arbeiter, allesamt zur Tür des Glockenturms befohlen.
Neben Kösters wirkten in großer Spielfreude die Mitarbeiter des Kindergottesdienstes der
evangelischen Stadtkirche und als Drehbuchautor und Erzähler Ronny Schneider, der Pfarrer der Stadtkirche.
Gab es vor einhundert Jahren ein gewaltsames Aufbrechen der Tür zum Turm - ein nieder- schmetternder Vorgang für die Beziehung der beiden Kirchengemeinden für lange Zeit -, so endete das
Stegreifspiel anno 1985 anders.
In dem Moment, wo die städtischen Arbeiter bewaffnet mit einer Brechstange und mit
Glockenseilen den Turm zum Läuten aufbrechen wollte, öffnete sich die Tür. Mitglieder des
Pfarrgemeinderates und des Kirchenvorstandes von St. Vincentius empfingen die Eindring- linge mit Blumen und Schnaps. Sie gewährten den Presbytern der Stadtkirche den Zugang zum Geläut der
Glocken von St. Vincentius. Auf die Minute genau setzten gleichzeitig auch die Glocken der evangelischen Stadtkirche mit ein. Die ökumenischen Klänge von beiden Kirchtürmen unterstrichen die
freundschaftliche Verbundenheit beider Gemeinden.
Gut zwanzig Jahre später setzte die evangelische Gemeinde dem Happening noch ein Happy End oben drauf. Nach Aufgabe der evangelischen Christuskirche in der Innenstadt schenkte die Gemeinde den
katholischen Nachbarn von St. Vincentius ihre Kirchenglocke. Pfarrer Kösters könnte heute sagen: ÖKUMENE? KLINGT GUT!
Im Glockenturm von St. Vincentius läutet seit 2007 die Glocke der evangelischen Christuskirche. Nach der Aufgabe der Christuskirche schenkte die evangelische Gemeinde die
Glocke der katholischen Nachbar-gemeinde. Von links: die Pfarrer Armin von Eynern, Theo van Doornick, Ronny Schneider und Diakon Bernhard Groß.
Foto: Heiko Kempken