Totenhäuschen diente als Zelle
von Birgit Gargitter


FRIEDHOF / 1844 wurde eine neue Begräbnisstätte errichtet. Nicht nur Tote, auch Straftäter wurden dort "untergebracht".

Auch mehrfache Zerstörung und Wiederaufbau der Kirche haben ihn nie angetastet. Na ja, nicht ganz. Es geht das Gerücht um, dass bei Bauarbeiten nach dem Zweiten Weltkrieg Gebeine Kindern zum Fußballspielen dienten.

 

Aber im Großen und Ganzen werden die sterblichen Überreste wohl noch heute in der Erde

ruhen. Jeder Hof, jedes Haus hatte damals angestammte Gruften oder Grabstellen. Auf dem

Grab des ersten Lehrers von Hiesfeld soll ein wunderschöner Rosenstrauch gestanden

haben, der den Eingang der Kirche überschattete, so erzählt der frühere Pfarrer Diederichs

im Buch "400 Jahre evangelische Kirchengemeinde Hiesfeld". "Die Gräber umschlossen die

Kirche so dicht, dass man anhand des Planes gar nicht mehr feststellen kann, wie die Gläu-

bigen eigentlich noch in die Kirche kamen", wundert sich Heimatkundler Bison. Interessant

finde er die Grabstellenliste der 120 Hiesfelder Familien aus dem Jahr 1825. Viele davon ge-

hörten heute noch zum Hiesfelder Urgestein.

1844 ging es dann mit dem kleinen Friedhof um die Kirche herum zu Ende. Ein neuer musste

her. Zwei Grundstücke auf dem Mittelfeld wurden nach sechjährigen Verhandlungen durch

Tausch erworben.

Druck durch Nationalsozialisten

Der "alte Friedhof" reichte von 1844 bis 1900, der "Neue Friedhof" wurde zusätzlich in Be-

nutzung genommen, nur ein paar Meter vom anderen entfernt. Im 3. Reich probten die Hies-

felder erneut einen Aufstand. Bislang wurden ausschließlich Gemeindemitglieder auf dem

Friedhof beerdigt, nun wollten jedoch auch andere, wie NSDAP-Mitglieder, ihre Toten dort bei-

setzen dürfen. Auch gab es Einwände gegen die nicht-christlichen Begräbnisrituale der Par-

tei. Die Gemeinde musste auf Druck staatlicher und kirchlicher Behörden kapitulieren. Aller-

dings bestand sie weiterhin auf einer stillen Form der Beisetzung und damit auf Verzicht un-

kirchlicher Zeremonien.

Auf dem "alten Friedhof" hat früher übrigens auch ein Totenhäuschen gestanden, das von

Ernst Flocken, Hiesfelds erstem Polizisten, auch als Gefängnis für "leichtere" Fälle benutzt

wurde. Und dass die Dorfkirche heute noch in all ihrer Schönheit auf dem Kirchhofhügel über

den Dorfkern ragt, haben die Hiesfelder laut Erzählungen Rosa Kesper zu verdanken. Der

Kirchturm diente nämlich den alliierten Soldaten als Orientierungspunkt für ihre Geschütze

und sollte daher von deutscher Seite noch in den letzten Kriegstagen gesprengt werden.

Rosa Kesper, als resolut und robust bezeichnet, schimpfte die Pioniere aus. "Ihr sollt euch

was schämen!", soll sie unter anderem gesagt haben. Was auch immer sie ihnen noch an

den Kopf warf, es half. Die Sprengung wurde nicht vorgenommen, das Hiesfelder Wahrzei-

chen blieb bis heute erhalten.