Sie herrschte fast 30 Jahre lang
von Birgit Gargitter

Mechthild von Virneburg war nachweisbar die erste Frau, die das Land Dinslaken vereinte.

DINSLAKEN. Der Wahlkampf ist - endlich - vorbei. Vor wenigen Tagen wurde Sabine Weiss in der Ratssitzung zum zweiten Mal in ihr Amt als Bürgermeisterin eingeführt. Fünf weitere Amtsjahre liegen vor ihr. Nichts Ungewöhnliches in heutiger Zeit. Kaum jemandem ist jedoch bewusst, dass seit ihrer Wahl im September 1999 nach 661 Jahren erstmals wieder eine Frau Dinslaken "regiert".

 

Es war Mechthild von Virneburg, Witwe des Grafen Otto von Kleve, die 1310 eine eigene Herrschaft auf ihrem Witwensitz in Dinslaken aufbaute. Mechthild war noch jung, geboren 1291 auf der Virneburg, Kreis Mayen, Eifel heiratete sie am 1. August 1308 den Grafen Otto von Kleve. Die Ehe währte zwei Jahre, die Tochter Irmgard kam nach Ottos Tod zur Welt. Hätte Mechthild einen Sohn geboren, so würde sie bis zu dessen Volljährigkeit die klevischen Regierungsgeschäfte geführt haben. So aber zog sich die junge Witwe auf das Kastell nach Dinslaken zurück. Dietrich IX., ein Stiefbruder Ottos, übernahm die Nachfolge in Kleve.

Vrouwe van Dynslaken

Mechthild von Virneburg erhielt als Wittum (Witwenversorgung) Stadt und Burg Dinslaken mit etlichen Gerichten und Höfen in der Umgebung. Statt sich mit ihrem Witwentum zu begnügen, wirkte sie in dem ihr zugewiesenen Bereich eigenständig, stellte 1317 sogar einen Amtmann (Drosten) ein, 1327 einen Richter. In den alten Urkunden nannte sie sich "vrouwe van Dynslaken". Ihr unterstand ein ganzer Hofstaat: Amtleute, Burgleute, Torleute, Pförtner, Wächter und alle, die die Burg Dinslaken zu hüten und zu wahren hatten, so der Bericht in einer Urkunde. Ihr Siegel (das einzige überlieferte) zeigt die klevische Lilienhaspel, bedeckt mit einem kleinen Schild aus sieben roten und goldenen Rauten, dem Virneburger Wappen.

Da Mechthild eine eigene Herrschaft anstrebte, durfte sie nicht wieder heiraten. Sie verwaltete ihr Gebiet, vergrößerte es und verfügte natürlich auch über die Erträge. "Ist es Zufall, dass die Gründung einer Schule 1321 in die Zeit ihrer Herrschaft fällt oder hat Mechthild dies gefördert", fragt sich Stadtarchivarin Gisela Marzin.

Ränkespiele um Kleve

Ungewiss sei, ob Mechthild die Pfarrkirche in Hiesfeld gefördert habe. Urkunden darüber gibt es nicht. "Ein Verzeichnis von 1325 umreißt die Ausdehnung ihres Besitzes: das Gericht zu Bottrop und zu Osterfeld mit den dazugehörigen Menschen, den Hof zu Dorsten und zu "Vagedinc" mit dem Zubehör, ferner Eppinghoven und die Gerichte Gahlen und Hamborn, außerdem die Güter und Gerichte auf der anderen Seite des Dinslakener Waldes", so Marzin.

Der von Mechthild bestellte Amtmann übte in ihrem Sinne und unter ihrer Herrschaft politische und juristische Funktionen aus. Denn Ränkespiele und Querelen gibt es nicht nur heute auf dem politischen Parkett, die waren auch damals an der Tagesordnung. Mechthild und somit Dinslaken geriet zwischen die Mühlräder der Grafschaft Kleve und des Erzbistums Köln, das heißt zwischen ihrem Schwager Dietrich und ihrem Onkel Heinrich von Virneburg, Erzbischof von Köln. Dieser wollte natürlich seinen niederrheinischen Besitz vergrößern und die Grafschaft Kleve in den Besitz seiner Kirche bringen. Mechthild schloss sich an Heinrich, doch das Ränkespiel misslang. Ein letztes Mal jedoch siegte Mechthild über den verhassten Dietrich, in dem sie sich dessen Bruder Johann, Domdechant zu Köln, anvertraute.

Immer politisch interessiert

Mechthild war zwischen 40 und 50 Jahre, damals also bereits eine alte Frau, als sie es aufgab, ihren Besitz selbst zu verwalten. "Eine Urkunde aus dem Jahr 1345 zeigt, dass Mechthild jedoch immer noch eine begüterte Frau war und am politischen Leben teilnahm", so Stadtarchivarin Gisela Marzin. "Durch den frühen Tod Ottos war sie gezwungen, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Zwar ist sie im Spiel um die Macht zwischen Kleve und Köln zerrieben worden, dennoch hat Mechthild fast 30 Jahre lang (bis 1338) das Land Dinslaken verwaltet. Unter ihr wird das Land erstmals als eine Einheit gesehen und geht in die Urkunden ein", so Marzin. "Auch wenn Dinslaken an die Klever zurückgefallen ist, so ist doch Mechthilds Herrschaft im Land Dinslaken eine ungwöhnliche Leistung für eine Frau ihrer Zeit."

Grabstätte ist unbekannt

Mechthild von Virneburg starb am 25. April 1360. Ihre letzten Jahre soll sie im Kloster Oberndorf bei Wesel verbracht haben. Unbekannt ist, wo Mechthild begraben liegt. Es erscheint äußerst unwahrscheinlich, dass sie 50 Jahre nach dem Tod ihres Mannes in der Familiengruft bestattet wurde. Eher ist wohl ihr Grab auf dem Friedhof des Klosters Oberndorf zu suchen. Ein Jahresgedächtnis für sie ist nämlich im Nekrolog des Klosters verzeichnet. (Fortsetzung folgt).