Ein neuer Turm für die Vincentius-Kirche
In einem Beitrag für das Jahrbuch des Kreises erinnert Heiner Stapelkamp an den „Turmbau zu Dinslaken“. Am 29. April 1951 begannen die Feierlichkeiten der Kirchweihe
von Birgit Gargitter
Das Foto zeigt den Backsteinbau des neuen Kirchenturms.
Foto: Kirchenarchiv Pfarrei St-Vincentius
Dinslaken 23. März 1945 – die Dinslakener Innenstadt liegt in Schutt und Asche. Das St. Vinzenz-Krankenhaus wurde schwer getroffen, war nicht mehr als Hospital nutzbar. Zahlreiche Wohnhäuser und Geschäfte wurden dem Erdboden gleichgemacht und auch die Vincentius-Kirche am Altmarkt trug Treffer davon. Der erst 1924 neu errichtete Zwiebelturm der katholischen Kirche stand wie ein Wächter inmitten der Zerstörung und schaute auf das Leid, als wolle er den Untergang dieses alten Städtchens nicht begreifen, schreibt Hobbyhistoriker Heiner Stapelkamp in seinen Geschichten über die Zerstörung und den Wiederaufbau der St. Vincentius-Kirche im Jahrbuch des Kreises Wesel.
Stand im ersten Teil des Jahrbuches von 2020 die Zerstörung im Vordergrund, geht es im gerade erschienenen Jahrbuch 2021 um den Wiederaufbau und die Einweihung der neuen Kirche im heutigen Gewand. Denn hatte der Zwiebelturm auch den Angriff am 23. März überstanden, so hatte er wohl doch zu viel Schaden genommen – denn vom 15. auf den 16. April stürzte er plötzlich in sich zusammen. Drei Wochen nachdem der Zweite Weltkrieg für die Dinslakener ein schreckliches Ende gefunden hatte. Der gotische Teil der Kirche blieb jedoch erhalten, mit Ausnahme der zerstörten bleiverglasten Fenster. An einen Gottesdienst in der Ruine war nicht zu denken. Man zog in den Tanzsaal des benachbarten Gasthauses Hackfort.
Die Aufräumarbeiten und die Enttrümmerung der Kirche begannen erst Mitte 1949. Pastor Jakob Baers und der damalige Kirchenvorstand waren sich einig, dass der Aufbau des Krankenhauses Vorrang hatte. Inzwischen hatten die ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag stattgefunden, beschreibt Stapelkamp in einem Exkurs die Deutsche Nachkriegsgeschichte. Mit Konrad Adenauer gab es den ersten Bundeskanzler der neuen Bundesrepublik.
Auch Schlager wurden wieder gespielt, erzählt Heiner Stapelkamp. Er erinnert an das Karnevalslied „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien...“, mit dem, so Stapelkamp, die Alliierten und ihre Politik der neuen Staatenbildungen auf die Schippe genommen wurde. Rudi Schurickes „Capri-Fischer“ fand einen neuen Text „... wenn zu Hause die Mutter zum Vater lächelnd meint, dass das Wetter zum Kohleklauen geeignet scheint, ziehen Gestalten mit leeren Säcken zur Bahn hinaus und harren in Wind und Wetter geduldig aus...“
Nachdem das Vinzenz-Hospital in Betrieb genommen worden war, konnte man an den Neuaufbau der Kirche denken. Beschleunigt, so Stapelkamp wurde dies wohl, weil der Besitzer von Hackfort auf das Ablaufen des Mietvertrages zum 28. April 1951 hinwies. Er brauchte seine Gaststätte wieder für andere Dinge des Lebens, denn so langsam schien sich die Normalität wieder einzupendeln, meint Stapelkamp. Also zogen am 22. Januar 1950 Pastor Baers und die Gemeindemitglieder mit Gebeten und Gesängen zum Kirchplatz, um den ersten Spatenstich zu vollziehen. Dabei sollte gleich die Kirche erweitert werden, mit Genehmigung der bischöflichen Behörde wurde der Chor nicht traditionell nach Osten, sondern nach Westen verlegt.
Unterm Altar
Den Auftrag für den Aufbau hatte sich der Kölner Architekt Otto Bongartz gesichert. Er bekam die Aufgabe, den alten Teil der Kirche in den Neubau zu integrieren, mit dem Chor zum Westen hin und einem weiträumigen Querschiff und einem seitlich versetzten Turm. 650 Gläubige sollte die Kirche damit fassen. Zahlreiche Gäste aus Politik und Wirtschaft waren zum Spatenstich zugegen. Die Arbeiten konnten beginnen.
Nun war aus alter Zeit her jedoch ein Friedhof am Kirchplatz angelegt, wohin mit den Gebeinen, die noch vorhanden waren und bei den Bauarbeiten zutage kamen? Man entschloss sich, las Stapelkamp in den alten Kirchenbüchern, die Gebeine zu bergen und in Zementsärgen unter dem neu errichteten Altar beizusetzen. Die Arbeiten schritten voran und bereits am 24. September 1950 konnte der Grundstein für die neue Pfarrkirche St. Vincentius gelegt werden. Natürlich wieder mit zahlreichen Gästen und einer feierlichen Zeremonie. Pfarrer Jacob Baers verlas die Urkunde, in der alle Daten über die Kirche und ihre Zerstörung dokumentiert waren. Die Urkunde wurde zusammen mit einem Verzeichnis aller Helfer und Förderer, Innen- und Außenbilder der Kirche und den örtlichen Tageszeitungen in die Wand hinter dem Hochaltar eingemauert.
Sieben Monate später war es dann endlich so weit: Am Sonntagmorgen des 29. April begannen die Feierlichkeiten der Kirchweihe mit Gebeten in der Notkirche. Dann zog Weihbischof Dr. Heinrich Gleunes, der eigens zur Kirchweih angereist war, mit der Geistlichkeit und den Ehrengästen dreimal mit den Reliquien der Hl. Märtyrer Eulogius und Auctus um die neue Kirche und klopfte dabei dreimal mit seinem Hirtenstab an die Kirchentür, bevor er sie betrat. Schließlich sei die Einweihung mit einem feierlichen Pontifikalamt zelebriert worden, beschreibt Heiner Stapelkamp die damaligen Begebenheiten.
Quelle: NRZ 17.12.2020