Vergitterte Türen, verschüttete Gänge. Oben beinahe zweitausend Menschen, die sich von der Musik in den Bann ziehen lassen, darunter dunkle
Katakomben, von denen kaum jemand weiß. „Ganz nah ist das Phantom der Oper“. Oft lauschte das Publikum dieser Melodie im sommernächtlichen
Burgtheater, wer ahnte, dass es hier ganz ähnlich der Pariser Oper eine verborgene Unterwelt gibt? Folgen wir dem fiktiven Phantom durch die ganz
reale Bausubstanz des Burgtheaters.
Natürlich entführt uns der Unhold direkt von der Bühne. Nach rechts geht es, unter die steinernen Bögen der Willi-Dittgen-Stiege. Hier unten öffnet
sich das erste Gitter, wir stehen am Ufer des Sees. Nun gut, es ist der Ententeich, alles andere als verborgen. Und ein Kahn ist auch nicht mehr zu
sehen. Doch unser Phantom zieht uns zur Seite weg. Ganz schmal führt eine Treppe hoch zum Tor in den Burginnenhof. Das Scheusal führt uns in die
Irre. Hinabsteigen wollten wir, stattdessen öffnet es uns die Absperrung zum Burgturm. Vorsicht, Einsturzgefahr. Wie die Schauspieler der alten
Inszenierungen führt unser Weg die Treppe des Turmes hoch und auf der anderen Seite wieder herunter. Zurück auf die Bühne. War das etwa alles? Das
Innere des Burgturms ist unspektakulär, im Winter lagern hier weiße Stühle, beim Fantastival steht hier ein Teil der Technik. Doch jetzt flieht
unser Phantom die Zuschauerränge hoch, huscht zwischen den Kastanienbäumen Richtung Beleuchterhaus – und ist verschwunden. Eine Stimme dringt aus
dem Boden unter dem Wandelgang. Steigt herab! Tatsächlich, hier verbergen sich die Katakomben des Theaters.
Jürgen Stüwe, Amtsleiter des Grünflächenamts erinnert sich noch genau an den Märztag 1998. Zur 725-Jahr-Feier sollte das Burgtheater eine neue
Bestuhlung erhalten. Der Orchestergraben wurde zugeschüttet, auch der Wandelgang sollte saniert werden. Der Weg wird ausgekoffert, man stößt auf
Stein. Nicht ungewöhnlich bei alter Bausubstanz, das Burgtheater stammt aus dem Jahr 1934. Doch dann kommt der Anruf der beauftragten Firma: man
ist auf eine Falltür gestoßen. Die Luke, heute wieder gut abgedeckt, liegt mitten zwischen Beleuchterhaus und dem Abgang von Block A und B.
Darunter ein weiträumiger Gang. Ein Bunker? Gemauert, mit Sauerstoffzufuhr.
Wahrscheinlich gab es zwei Zugänge. Eine vermauerte Tür aus Naturstein ist neben dem Parkeingang im Gebüsch erkennbar. Ein Ausgang liegt
verschüttet neben dem Kasseneingang. Kulturamtsleiter Klaus-Dieter Graf berichtet, als Kind die Stufen herabgestiegen zu sein. Ein Stromaggregat
war dort aufgestellt, von dem Gang verzweigten sich verfallene Stollen ab. Stüwe fand 1998 alte Kabel. Wurden die Anlage als Bunker genutzt, oder
gehörte sie zu einem Gangsystem, in das Schauspieler durch eine Falltür von der Bühne verschwanden? Diese wurde 1998 neu aufgeschüttet, man fand
darunter keine Hohlräume mehr. Doch wer im nächsten Sommer im Wandelgang seinen Sekt trinkt, der kann vielleicht das Phantom des Burgtheaters unter
seinen Füssen heulen hören. Der verborgene Bunker bietet genug Platz.
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