Architektonische Würdigung der Christuskirche
von Bettina Schack

 

Sie liegt ein wenig versteckt hinter den Bäumen der Saarstraße und somit streng genommen in ihrer Raumwirkung beeinträchtigt: Die Christuskirche, bislang eines der architektonisch interessantesten Gebäude Dinslakens. Ein gewaltiger Kubus aus einem lebendig filigranen Beton- und Glasgeflecht, streng in der Konzeption, klar in der Aussage und kompromisslos in der Gestaltung. Ein Sakralgebäude mit der Qualität eines modernen Plastik. Ein vergängliches Kunstwerk. Die Tage der Christuskirche sind gezählt, sie wurde für die ev. Kirchengemeinde zum finanziellen Risiko. Das Gebäude hätte als Konzert- und Theatersaal eine neue, glückliche Verbindung von Form und Inhalt eingehen können, doch auch hier wurde Geld zur unüberwindbaren Hürde. „Die Planung und Realisierung des imposanten Baues scheint in der heutigen Zeit von einem gewissen Mut zu zeugen.“ Die prophetischen Worte Pfarrer Hendrik Rietbergs zur Einweihung des Gotteshauses 1967 verhallen in den Finanzlöchern des Jahres 2006. Die Kirche wird abgerissen, die Zukunft wird in Alterswohnungen und neuen Ladenlokalen gesehen.

Die Christuskirche wurde 1965 vom Essener Architektenehepaar Hermann und Krista Zegler nach modernsten Ansprüchen entworfen. Funktionalität und Materialien sollten es sichtbar machen: die ev. Kirchengemeinde steht mit ihrem Glauben und mit ihren Bedürfnissen fest im Hier und Jetzt. Das Souterrain bietet Platz für die Gemeindeaktivitäten, darüber erhebt sich der nur über zwei Treppen erreichbare Sakralraum. Eine Schale aus gleichmäßigen, ineinander versetzten Betonformsteinen umschließt den Gottesdienstsaal. In die Öffnungen ist farbiges Betonglas eingelassen,Betonpfeiler stützen in gleichmäßigen Abständen die Konstruktion. Auf keiner Seite des 500 Personen fassenden Raumes ist der Blick auf die Glas-Beton-Konstruktion verstellt, scheint die Sonne, wird sie zu einem rechteckigen Kaleidoskop. „Die Gemeinde ist in einer schützenden Burg, das Licht verweist auf das Leben draußen, dem die Verkündigung in der Kirche gilt“, so Pfarrer Arnim von Eynern theologische Auslegung. Streng reformiert die Ausstattung des Gottesdienstsaals: Im Zentrum der Altar, die Gläubigen sitzen in drei Blöcken um den Altarraum. Die festmontierten, hölzernen Stuhlreihen heben sich nach hinten wie in einem Theatersaal. Nach vorne wird der Altarraum durch eine Holzwand begrenzt, hinter ihr erhebt sich die Empore für Orgel und großen Chor, ein Betonquader markiert die Kanzel. Die Architektur rückt die Chormusik, ob in Liturgie oder im Konzert ins Blickfeld der Gemeinde. Die Holzverschalung der Decke dient der Akustik, sie wurde von Prof. Dr. Werner Zeller konzipiert. Rechts vor dem Altar das Taufbecken, ein Quader auf kleinerem Sockel mit eingelassener Taufschale. Der Raum ist mit Schiefer ausgelegt, der Boden berührt nicht die äußere Betonschale. Bildschmuck ist in der Konzeption nicht vorgesehen, erst in den letzten Jahren wurden ein Hungertuch und zwei Fahnen aufgehängt.

Von der Empore führt eine Treppe in die Kapelle im Zwischengeschoss, auch hier ersetzt die Betonverschalung eine Fensterfront. Sie diente für Kindergottesdienste und als Chorraum, zuletzt wurde sie als „Raum der Stille“ genutzt. Daneben befinden sich Sakristei und Küsterraum.

Unter dem Gottesdienstsaal liegen der Gemeinde- und Konfirmandensaal, die Küche, das Foyer, WC-Anlagen und Abstellräume.

Leider sind gerade die konzeptionellen Stärken von 1966, die letztendlich das Schicksal der Christuskirche besiegelten. Die Gemeinde hat sich gewandelt. Heute besteht Bedarf für viele Gruppenräume, der Sonntagsgottesdienst hat dagegen seine zentrale Bedeutung verloren. Doch Veränderungen waren im Plan der Architekten nicht vorgesehen, das Gebäude ist an den Bedürfnissen von 1967 gefesselt. Dies betrifft auch die Energiekosten: 16 000 Euro jährlich verschlang die Beheizung des Gebäudes zuletzt, das dünne Betonglas erlaubt keine Wärmedämmung.

So steht die ev. Gemeinde mit ihrer Entscheidung, das Gebäude aufzugeben, wie vor 40 Jahren im Hier und Jetzt, Dinslaken verliert einen Sakralbau und ein kunsthistorisch interessantes Zeitdokument.