AUSSTELLUNG / Im Voswinckelshof dokumentiert „Auf gute Nachbarschaft“ 300 Jahre Gemeinschaftssinn rund um das Eppinghovener Tor.
DINSLAKEN. Der Tierarzt diagnostizierte bei Gustav Schniers torkelnden Schweinen akute Besoffenheit, kein Fußballspiel, sondern das 1982 von Renate
Seidel initiierte Adventskaffeetrinken brachte den Schlachtruf „Eppinghovener Tor –Tor –Tor“ hervor und im Karneval 1985 kommentiere Wolfgang Wiese
die Altmarktsanierung mit den Worten „Erst der Bagger, dann der Hammer, und dann Rum-Ta-Ta“. Es sind gerade die kleinen Geschichten, die den Charme
der neuen Ausstellung im Museum Voswinckelshof ausmachen. Ein erst im Januar im Stadtarchiv wieder aufgefundenes Buch belegt die 300-jährige
Existenz der Pumpennachbarschaft Eppinghovener Tor. Anlass für ihre Mitglieder, das Leben rund um den Altmarkt ins Museum zu bringen. Unter dem
Titel „Auf gute Nachbarschaft“ zeigen der 1. Rentmeister Hartmut Weber und seine Helfer in zahlreichen Fotos und Dokumenten Alltag, Fest- und
Trauertage zwischen Gestern und Heute.
Natürlich ist es eine Ausstellung für Insider. Immer wieder trifft man auf bekannte Namen, umweht von einem Hauch von Nostalgie. Das
Pumpenmariechen Kerstin I. Saddeler gemeinsam mit der Delegation des Heimatvereins, Rupert Sierp und seine Eltern. Pressefotos vom Karneval,
historische Stadtansichten. Walter Eul, dessen Dinslakenfilm im Nebenraum als DVD läuft. Die historische Dimension zeigt sich im scheinbar Kleinen.
Ein Vergleich der Satzungen von 1961 und 2005 dokumentiert den gesellschaftlichen Wandel. Noch vor 45 Jahren mussten Mitgliedschaft anstrebende
Mieter einen Trauschein vorweisen, blieben nur verheiratete Söhne nach ihrem Wegzug in der Nachbarschaft. Heute ist jeder und jede willkommen.
Da erscheint es fast selbstverständlich, dass der Ursprungsgedanke, die Sicherung der Trinkwasserqualität durch eine Solidargemeinschaft, durch das
moderne Vereinsziel des gemeinsamen Feierns ersetzt wurde. Auch das hat Tradition. Die Jahreshauptversammlungen der Pumpennachbarschaften wurden
schon vor Jahrhunderten am Rosenmontag abgehalten, schließlich zahlte man Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung in Bier. Abgestraft wurde damals
jeder, der das Treffen mit „Krackehl, Gottes laestern oder fluchen“ störte, aber auch diejenigen, die Streithähne unterstützten. Zusammenhalt war
lebensnotwendig.
Die Nazizeit hatte keinen Platz für das Vereinsleben, auch wenn archäologische Funde am Eppinghovener Tor in der National-Zeitung beschrieben
wurden. Im Bombenhagel 1945 gewann nachbarschaftliche Solidarität existenzielle Bedeutung, doch erst 1951, als Gustav Schnier das alte Stammlokal
wiedereröffnete, wurde die Nachbarschaft nach traditionellem Muster neu gegründet. „In Freud und Leid / zu jeder Zeit hilfsbereit“ lautet ihr
Motto. Wie es seit 300 Jahren gelebt wird, davon erzählt diese stadthistorisch und soziologisch lohnenswerte Ausstellung bis zum 7. Mai.
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