Ein fast vergessenes Opfer der Nazis
Mendel Heilbronn war Lehrer an der jüdischen Volksschule in Dinslaken. Er wurde als ein Opfer der NS-Euthanasie in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet. Im Frühjahr werden Stolpersteine für die Eheleute Heilbronn verlegt
von Anja Hasenjürgen
Lehrer Mendel Heilbronn im Kreise seiner Schüler in Dinslaken
Foto: privat
Dinslaken wäre er in Vergessenheit geraten, wie so viele Opfer der NS-Euthanasie. Mendel Heilbronn war Lehrer, er unterrichtete an der Jüdischen Volksschule in Dinslaken, war ein angesehener Mann in der Gemeinde. Mit 51 Jahren ermordeten die Nationalsozialisten ihn in der Tötungsanstalt in Hadamar. Anne Prior von Verein Stolpersteine Dinslaken ist bei ihren Forschungen zum Schicksal der Juden in Dinslaken auf Mendel Heilbronn gestoßen und hat sich auf Spurensuche begeben. Im neuen Jahrbuch des Kreises Wesel zeichnet sie das Leben von Mendel Heilbronn und seiner Frau Helene nach.
Mit Hoffnungen nach Dinslaken
Als Mendel Heilbronn, der am 5. Juni 1889 geboren ist, am 1. Juli 1927 seine Stelle in Dinslaken antrat, geschah das mit großen Hoffnungen. Nach zwei unsicheren Lehrerstellen mit sinkenden Schülerzahlen bot sich in Dinslaken eine langfristige Perspektive: Der Großteil der Schüler kam aus dem jüdischen Waisenhaus, die Schülerzahl stieg sogar! Mendel Heilbronn lebte an der Wielandstraße 1a wurde zu einem angesehen Mann in Dinslaken. Er lenkte nicht nur die Geschicke der jüdischen Volksschule sondern engagierte sich auch für den „Hilfsverein der deutschen Juden“ und gehörte zeitweise zu den Repräsentanten der Synagogengemeinde.
„Rastlos und unermüdlich in der Arbeit ist er jedem Schüler ein Freund und wohlwollender Führer geworden“, so würdigte die Zeitung sein 25-Jähriges Lehrerjubiläum am 27. März 1934. „Nichts in dieser Anzeige lässt darauf schließen, dass sich Mendel Heilbronn von September bis Dezember 1933 in der ‘Heil und Pflegeanstalt’ der Alexianer-Bruderschaft in Neuss befand“ und dass seine Stelle schon zwei Wochen zuvor neu ausgeschrieben wurde, schreibt Anne Prior.
Warum der Lehrer eingewiesen wurde, war nicht herauszufinden. Ob es damit zu tun hatte, dass seit Anfang 1934 mit Friedrich Schulte ein „alter Kämpfer der NSPAD“ und Antisemit als Schulrat für die Lehrerstelle zuständig war? Schulte hat laut Anne Prior später, beim Novemberpogrom 1938, als die Kinder des Waisenhauses durch die Neustraße getrieben wurden, eine „führende Rolle“ eingenommen.
Die Heilbronns ziehen um, nach Düsseldorf. Doch erneut wird Mendel Heilbronn in das Alexianer-Krankenhaus gebracht. Am 11. Februar 1941 wird in der Neusser „Judenkartei“ vermerkt, dass er nach Düsseldorf in die „Heil- und Pflegeanstalt Grafenberg“ gezogen ist. „Damit ist das Schicksal des Patienten Mendel Heilbronn besiegelt“, schreibt Anne Prior. Der „Aktion T4“, den Morden an Insassen der „Heil- und Pflegeanstalten“, fallen 1940 und 1941 mehr als 70.0000 Menschen zum Opfer, darunter auch 2000 jüdische Patienten.
Mit einem Bus wurde Mendel Heilbronn von Grafenberg nach Hadamar gebracht. Und dort noch am Tag seiner Ankunft, am 15. Februar 1941, in der Gaskammer ermordet. Seiner Frau wird mitgeteilt, das Mendel im Juni in der „Irrenanstalt Cholm“, die es zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr gab, an Typhus gestorben sei. Und ihr wird noch die Behandlung bis Juni in Rechnung gestellt.
„Ausgesiedelt“ und ermordet
Helene erkundigt sich bei den Alexianern nach dem Schicksal ihres Mannes – erfolglos. Im Oktober 1941 wird sie mit 160.000 anderen im Ghetto Litzmannstadt eingesperrt. Dort trifft sie noch Sophie Jacob aus Dinslaken, eine Schülerin ihres Mannes. Das Mädchen wird Monate später im Vernichtungslager Kulmhof getötet. Helene Heilbronn wird im September 1942 aus dem Ghetto „ausgesiedelt“, wie es „in der Sprache der NS-Bürokratie hieß“, schreibt Anne Prior. Was bedeutet: Sie wurde in Chelmno ermordet.
Nachdem der Lehrer und Kantor Mendel Heilbronn und seine Helene „in Dinslaken über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten sind“, so Anne Prior, werden im Frühjahr 2021, 80 Jahre nach Mendels Tod, Stolpersteine an der Wielandstraße für das Ehepaar verlegt.
Die Stolpersteine für Mendel und Helene Heilbronn sind schon in Dinslaken. Sie werden im Frühjahr verlegt.
Foto: privat
Quelle: NRZ 09.12.2020